Heute, am 24. Mai, ihrem Sterbetag, nicht ein Gedicht an die, sondern von der Droste:
Am Turme (s. u.), eines meiner liebsten (-> Dichtertotenbrief).
Etliche Male hab ich Meersburg besucht; bin hinauf in den Weinberg, den die Droste nach einigem Hin und Her schließlich doch
erwerben durfte (sie war ja eine Frau, alleinstehend, und die Magistratsherren wussten nicht so recht, ob sie also denn geschäftsfähig sei); habe mich oben beim Fürstenhäusle, ihrem Refugium der letzten vier, fünf Lebensjahre, auf die Bank gesetzt und den hohen Blick über den Bodensee zum Säntis genossen, die magische Ruhe und Weite dieses Ortes.

Drinnen im Häusle kann man die Zimmer beschauen; kann Biedermeiermöbel, Bilder und Bücher, persönliche Erinnerungsstücke der Droste und ihrer Familie betrachten, Originalhandschriften sehen: große, bis aufs letzte Fleckchen mikrografisch von ihr, der extrem Kurzsichtigen, beschriebene Blätter; kein Quadratzentimeter des kostbaren Papiers sollte vergeudet werden. Auch von der Droste gefertigte Scherenschnitte sind dort, ein prächtig ausgearbeiteter Baum etwa, unter dessen Krone sich Mensch und Tier in sommerlichen Szenen tummeln.
Oben beim Häusle trifft man kaum Touristen, auch auf dem Friedhof nicht am Grab der Droste. Die Meersburg freilich (s. rechts), wo sie bei ihrer Schwester immer wieder lebte, zieht die Massen an.
Am Turme
Ich steh‘ auf hohem Balkone am Turm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und lass‘ gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!
Und drunten seh‘ ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht‘ ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Walroß, die lustige Beute!
Und drüben seh ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht‘ ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöve streifen.
Wär‘ ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär‘ ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!
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