Mein Freund Laszlo
Okeeh, nach sechs Tagen ist es vielleicht noch zu früh, ein endgültiges Urteil zu fällen, aber: Es läuft gut, bis jetzt läuft es echt voll gut. Morgens zum Beispiel, wenn ich auf dem Weg vom Bett zum Bad über ihn stolpere, hach! Er liegt so gemütlich zusammengerollt in seinem speckigen Schlafsack auf der rostroten Reisstrohmatte neben dem Schuhregal in der Diele und ich remple ihn ein bisschen an mit meinen bloßen Füßen. Aus Versehen, weil ich noch so müde bin. Weil ich noch nicht voll verinnerlicht habe, dass er da liegt: mein Laszlo.
Ich remple ihn also an, er knurrt im Schlaf – oder eigentlich ist es mehr ein Knarzen, Rasseln, Zischen, Pfeifen, Husten, so „mrrrde fffckck eh-eh“. Voll süß das. Ich sag „tschülli Laszlo“ und verschwinde im Bad. Diese Vertrautheit, diese unkomplizierte Nähe und wenn ich endlich fertig bin, geduscht, angezogen, geschminkt, sitzt er schon in der Küche am Tisch, kritzelt eifrig in sein Heft, raucht die Erste oder lass es die Zweite sein … früher ging das ja gar nicht bei mir, Kippen in der Küche. Aber jetzt: Laszlo braucht das, also was solls. Gut, Radio an, Nachrichten und so, er hat nichts dagegen, ihn interessiert, was passiert in der Welt. Nur den Fernseher, den mag er nicht, da sind wir uns ähnlich. Ich koch uns Kaffee. Für ihn mach ich Toast mit Rührei und ordentlich Speck, für mich ein Mehrkornmüsli, Naturjoghurt, frisches Obst. In einer guten Freundschaft kriegt jeder das, was er braucht. Er spricht nicht viel, Laszlo. Mir ist das nur recht, man muss sich nicht ständig kritisieren, man muss nicht dauernd irgendwas nachfragen, quatschen. Freunde wie wir, ich meine – wenn da die richtige Schwingung ist, versteht man sich ohne Worte. No fussing and fighting, haha!
Gefunden hab ich ihn nachts, meinen Laszlo. Ja, diese Oktobernächte können schon ordentlich kalt sein. Ich war auf dem Rückweg von Buchloe nach München, eine Dienstfahrt, fuhr bei Greifenberg raus auf den Rastplatz, sah ihn sofort. Man hatte ihn ausgesetzt, an der Leitplanke festgebunden. Er saß auf seinem Schlafsack und beobachtete die Sterne. Summte. Diese Gelassenheit, die von ihm aus ging. Ich fühlte sofort eine tiefe Verbindung, Sympathie, Seelenverwandtschaft, bot ihm einen Nussriegel an, den er nahm, ohne auch nur im geringsten zu zögern. Ich machte ihn los, er stand auf, klopfte sich die steifen Beine ab, stakste dann ganz selbstverständlich zum Auto, stieg ein.
An der nächsten Tanke kaufte ich eine Schachtel Zigaretten für ihn und eine Flasche Rotwein und einen neuen Kuli, während er mal aufs Klo ging. „Lass uns Freunde sein, du“ sagte ich, als er wieder auftauchte, und „Ich bin Greta“ und „Wieheißdudenndu, hm“ und er sagte „Lassloou“ und, mit einer marginalen Kopfbewegung Richtung Rücksitz, wo die Zigarettenschachtel lag: „Kippe“. Viel mehr haben wir auch bis jetzt nicht gesprochen, weil, ich erwähnte das schon, die Chemie zwischen uns absolut stimmt.
Da muss man dann nicht dauernd was sagen. Oder!
Pega Mund – in: außer.dem 22 / 2015
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